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Ich wurde gebeten, meine Gedanken zum Thema „Narben“ zusammenzustellen, und das möchte ich gerne tun, wenn ich damit vielleicht einigen helfen kann.  

Ich bin 47 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Herzchen, die inzwischen 10,15 und 19 Jahre alt sind. Sie hatten unterschiedliche Herzfehler und zwei meiner Kinder mussten teilweise mehrfach am Herzen operiert werden. Bei einer Tochter erledigte sich der Herzfehler im ersten Lebensjahr von selbst, so dass keine Operation notwendig wurde. Allen drei geht es im Alltag zurzeit recht gut. 

Zu Beginn möchte ich voranstellen, dass es zu meinem christlichen Glauben gehört, den Menschen als Teil von Gottes Schöpfung zu begreifen und ich bin immer wieder begeistert, wie großartig diese Schöpfung ist. Es ist ein wunderbares Geschenk, dass der menschliche Körper mit großartigen Selbstheilungskräften ausgestattet ist. Manche Lebensereignisse hinterlassen Narben, die uns daran erinnern und gleichzeitig ein Zeichen dafür sind, was unser Körper geschafft hat. Aus diesem Gedanken heraus, haben Narben für mich persönlich keinen Schrecken. Sie sind nichts, was den Körper verunstaltet, sondern sie sind einfach ein Zeichen, mehr nicht. 

Obwohl viele von uns das selbst bei sich erlebt haben, fällt es ihnen dennoch sehr schwer, sich als Eltern mit dem Gedanken anzufreunden, dass ihr Baby oder Kleinkind durch eine Operation Narben davontragen wird. Warum? Vielleicht, weil es oft die erste solche Spur des Lebens ist und bis dahin der Körper des Kindes unversehrt ist. Vielleicht auch, weil sie es sind, die die Zustimmung geben müssen – es ist nicht etwas, was einfach passiert und nicht in ihrer Macht liegt.  

Ich persönlich denke, es kann helfen, die Narbe nicht als einen Makel zu begreifen, sondern das, was gemacht werden muss, als eine riesengroße Chance auf ein möglichst gutes Leben. Und davon sollte die Narbe dann erzählen. Manche sprechen von einer „Gesundmachnarbe“. Es braucht allerdings Zeit, bis man bereit ist, diese Geschichte auch mit anderen Menschen zu teilen. 

Wenige Monate nach der großen Operation unserer ältesten Tochter habe ich begonnen, mit ihr zum Babyschwimmen zu gehen. Es hat ihr sehr großen Spaß gemacht an den Kursen teilzunehmen. Zu Beginn hatte sie wie alle anderen Kinder auch einfach eine Schwimmwindel an. Sehr schnell habe ich allerdings gemerkt, dass doch viele Blicke wie magisch angezogen von der Narbe auf meinem Kind ruhten. Immer wieder wurde ich darauf angesprochen und musste zumindest kurze Erklärungen geben. Eigentlich spielte die Herzgeschichte in unserem Alltag nach der erfolgreichen OP kaum eine Rolle – lt. dem Rat der Ärzte war sie ja „herzgesund“. Ich wollte eigentlich nicht dauernd darüber vor meinem Kind sprechen. Ich wollte einfach nur mit meinem Kind, genau wie alle anderen, Spaß beim Babyschwimmen haben. Die Erlösung kam in Form eines UV-Bodys, der die Narbe einfach unsichtbar machte und gleichzeitig verhinderte, dass ich beim Greifen meines Kindes im Schwimmkurs den Narbenbereich zu sehr strapazierte. Ich habe den Anzug meinem Kind nicht angezogen, weil ich mich dafür schämte, sondern weil es einfach Privatsache war und ich nicht jedem Fremden unsere Geschichte erzählen wollte.  

Oft taucht in den Elternforen die Frage nach der richtigen Narbenbehandlung auf. Ich denke, da gibt es viele richtige Wege. Ganz wichtig ist meiner Meinung nach jedoch, dass man für eine möglichst ungestörte Wundheilung sorgt, denn Entzündungen werden immer das Narbenbild weiter beeinflussen.  

Wir haben uns damals entschieden, die Narbe täglich mit Schwedenkräutern abzureiben – ob die Schwedenkräutermischung einen Einfluss hatte, weiß ich nicht wirklich – der Alkohol, mit dem die Schwedenkräuter angesetzt waren, hatte aber sicher zumindest eine desinfizierende Wirkung. Das der Alkohol eher austrocknend wirkte, haben wir danach eine Narbencreme dünn aufgetragen, was sicher pflegend gewirkt hat. Ich denke, hier kann jede wundheilende Pflegecreme ihre Dienste tun, da sollte man schauen, was einem selbst zusagt und was das Kind gut verträgt. Auf jeden Fall ist die Narbe unserer Tochter über die Jahre zu einem sehr unauffälligen dünnen weißen Strich abgeheilt. Es hat allerdings Jahre gedauert, da braucht man einfach ein bisschen Geduld. 

Was in ihrem Fall bis heute deutlich sichtbar sind, sind die Drainagenarben. Aus irgendwelchen Gründen hat sich an der mittleren Drainage unter dem Sternum eine deutlich eingezogene Stelle gebildet. Als sie in der Grundschule in der 3. Klasse war und Schulschwimmen auf dem Stundenplan stand, gab es da andere Mädchen in der Klasse, die sich über diesen „zusätzlichen Bauchnabel“ lustig gemacht haben. Sie war sehr traurig darüber. Leider war es so, dass ein einziges Kind hier mehrere andere Kinder damit angestachelt hat, das „ekelig“ zu finden. Es blieb mir nichts anderes übrig, als das Gespräch mit der Lehrerin zu suchen und sie zu bitten, mit den betreffenden Mädchen zu sprechen. Ich war bei dem Gespräch nicht dabei, aber die Lehrerin erreichte, dass diese Hänseleien aufhörten. Wir sprachen damals auch mit dem Kinderarzt wegen dieser Drainagenarbe. Er empfahl allerdings zu warten, bis sie älter wäre, dann könne sie immer noch zu einem Arzt gehen, um diese Narbe optisch verbessern zu lassen. 

Als sie in der 10. Klasse zur Sportexkursion fahren sollte, wo Rafting und Canyoning auf dem Programm stand, machte sie sich erneut Gedanken. Es hieß, sie solle einen Bikini tragen, um den Neoprenanzug darüber zu ziehen, da Jungs und Mädchen die Neoprenanzüge zusammen anziehen würden. Nach den guten Erfahrungen aus der Babyschwimmzeit, schlug ich Ihr vor, dass wir einen Bikini suchen würden, wo man möglichst nichts davon sehen würde, um gar kein Gerede aufkommen zu lassen. Wir fanden einen sehr modischen Bikini mit einem speziellen Schnitt, der tatsächlich alle Narben bedeckte – und bei den anderen Mädchen für Bewunderung sorgte, weil er so stylisch war… 

Als sie 17 war, gingen wir das Thema „Bereinigung der Drainage-Narbe“ an und ließen uns vom Kinderarzt zum Kinderchirurgen überweisen. Er schaute sich die Narbe an und erläuterte einen Plan, wie diese Narbe geglättet werden könnte. Sie hörte sich das ruhig an und der Arzt war am Ende sehr erstaunt, dass sie sich Bedenkzeit erbeten hat und nicht direkt einen Termin für den Korrektur-Eingriff vereinbaren wollte. Auf dem Heimweg erklärte sie mir, sie habe sich dafür entschieden, die Narbe erst einmal weiter zu behalten, denn sie sei eigentlich ein Teil von ihr, auf den sie auch ein bisschen stolz sei. Und nachdem sie jetzt wüsste, was getan würde, um das zu ändern, wäre es ihr das nicht wert. Ich war in diesem Moment unheimlich stolz auf meine Große! 

Ein Thema im Zusammenhang mit Narben möchte ich noch erwähnen, weil es etwas ist, was nicht offen sichtbar ist, aber durchaus Beschwerden machen kann. Narbengewebe ist einfach anders als unverletztes Gewebe. Es ist nicht so elastisch und bei Wachstum wächst es scheinbar nicht immer in gleicher Weise mit. Meine große Tochter ist immer schubweise gewachsen und wir hatten regelmäßig das Problem, dass sie im Laufe eines Jahres über zunehmende Kopf- und Rückenschmerzen klagte. Zuerst wurden wir zur Physiotherapie geschickt, was mäßigen Erfolg brachte. Ich bin dann mit ihr zu einer Osteopathin, die deutliche Linderung erreichte und auch einen Zusammenhang mit der Herzgeschichte herstellte. Die äußerliche Narbe am Brustbein ist nur der Teil, den man sieht. Dort sind jedoch Narben in verschiedenen Schichten im Brustkorb. Bei ihren Wachstumsschüben entstanden dort enorme Spannungen, die sich über das Zwerchfell in den oberen Rückenbereich ausdehnten, was dann zu den Beschwerden im Schulter-Nackenbereich führte. Mit dieser Erkenntnis ausgestattet, waren wir mit ihr im Prinzip einmal jährlich bei der Ostheopathin, die die Spannungen lösen konnte. Nach Abschluss des Wachstums traten keine weiteren Beschwerden in diesem Bereich auf. Weder der Kardiologe noch der Kinderarzt waren darauf gekommen, dass es einen Zusammenhang zwischen ihren Beschwerden und der Herzgeschichte geben könnte. Dies ist so ein typisches Beispiel, wo ich es mir als Mutter wünschen würde, wenn man ganzheitlicher auf das Kind schauen würde und die Eltern und das Kind damit nicht alleine lässt.