Vor der Geburt
Pränatale Diagnostik
Wenn Sie ein Kind erwarten, werden Sie vielleicht – wie viele werdende Eltern – verschiedene Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Ultraschalluntersuchungen sind für die Eltern meist eine spannende Angelegenheit. Aus ärztlicher Sicht geht es jedoch vor allem darum festzustellen, ob Auffälligkeiten oder Krankheiten vorliegen.
Die Echokardiografie des kindlichen Herzens im Mutterleib hat zu einer entscheidenden Verringerung des Risikos von Fehlgeburten und der Säuglingssterblichkeit beigetragen. Durch die verbesserte medizinische Versorgung vor, während und nach der Geburt sowie der rasanten Entwicklung der Herzchirurgie versterben deutlich weniger Kinder wegen ihres angeborenen Herzfehlers.
Obwohl die Diagnostik in den letzten Jahren zuverlässiger geworden ist, lassen sich angeborene Herzfehler nicht immer schon vor der Geburt feststellen. Für eine hohe „Entdeckungsrate“ sind die Erfahrung des untersuchenden Arztes und die Qualität der Geräte entscheidend. In seltenen Fällen ist eine endgültige Diagnose vorgeburtlich nicht möglich oder gesichert. Erst nach der Geburt geben genauere kardiologische Untersuchungen Aufschluss darüber, was und wie operiert werden muss.
Die vorgeburtlichen Untersuchungen sollen nicht dafür gedacht, eine Auswahl treffen zu müssen, um nur gesunden Babys das Leben zu schenken. Denn vielen Kindern mit Herzfehlern kann gegebenenfalls durch eine oder mehrere Operationen und/oder andere Behandlungen eine gute Lebensqualität ermöglicht werden. Wichtig ist dabei, dass die Operation unmittelbar nach der Geburt in einem Zentrum erfolgt, das sowohl über eine Geburtsklinik als auch über eine kinderherzchirurgische Abteilung verfügt. Somit bleibt dem Kind ein Transport im Krankenwagen oder Hubschrauber erspart und es kommt nicht unter schlechten Voraussetzungen zur Herz-OP, deren Erfolgsaussichten dann entsprechend eingeschränkt sind. Außerdem können dann sowohl die Geburt und OP als auch organisatorische Dinge wie Geschwisterbetreuung, Kontakt mit Arbeitgeber, Krankenversicherung usw. optimal und in Ruhe vorbereitet werden.
Es gibt jedoch Herzfehler, die so schwerwiegend sind oder in Kombination mit anderen Erkrankungen auftreten, dass das Kind wahrscheinlich nicht lebensfähig sein wird. In dieser schwierigen Situation stellt sich die Frage, das Kind auszutragen, die Schwangerschaft abzubrechen oder das Kind zu begleiten, während „der Natur ihr Lauf gelassen wird“. Das bezeichnet man als palliative care (beugt Leiden vor). Manche Eltern entscheiden sich für einen Schwangerschaftsabbruch, u.a. weil sie dem Kind, sich selbst und der gesamten Familie Leid ersparen möchten. Das Ergebnis vieler Studien zeigt aber auch, dass das Austragen solch schwer kranker Kinder den Eltern Zeit gibt, sich auf den Verlust vorzubereiten. Es gibt ihnen außerdem die Chance, das Kind zu sehen und sich von ihm zu verabschieden, was die anschließende Trauer erleichtert.
- Nehmen Sie sich Zeit für diese wichtige Entscheidung!
- Holen Sie alle Informationen ein, die Sie zur Entscheidung benötigen.
- Lassen Sie sich nicht unter (Zeit-) Druck setzen!
- Suchen Sie Rat und Unterstützung für einen Entschluss von großer Tragweite, mit dem Sie dann ein Leben lang gut leben können.
Optimale Vorbereitung
Die vorgeburtliche Diagnostik ermöglicht Ihnen eine optimale Vorbereitung auf die Geburt und auf das Leben mit Ihrem herzkranken Kind:
- Welche Klinik kommt für die Entbindung und die eventuell zeitnah notwendige Operation in Frage?
Beides sollte, vor allem bei komplexen angeborenen Herzfehlern, unter einem Dach sein. - Wer sorgt in dieser Zeit für die Geschwister?
- Welche Hilfen stehen uns zur Verfügung? Dazu finden Sie umfassende Informationen in unserer Broschüre Sozialrechtliche Hilfen: https://alt.bvhk.de/wp-content/uploads/2019/08/Sozialrechtliche-Hilfen-2019-Web.pdf oder bei unserer Sozialrechts-Hotline: https://alt.bvhk.de/service/sozialrechts-beratungshotline/
Es ist sehr hilfreich, mit anderen über die Situation zu sprechen. Rufen Sie uns an! Wenn Sie es wünschen, vermitteln wir Kontakt zu anderen betroffenen Eltern, die diese Situation bereits bewältigt haben und mit einem herzkranken Kind in ihrer Familie leben.
Der Arzt spricht von "Verdacht auf Herzfehler". Welche Möglichkeiten gibt es?
Nicht alle Herzfehler können vorgeburtlich diagnostiziert werden. Dazu braucht der Pränataldiagnostiker viel Erfahrung und gute Geräte. Er sollte im Verdachtsfall unbedingt zur umfassenden Beratung einen Kinderkardiologen hinzuziehen. Dabei erfahren Sie, welche Behandlungen nach der Geburt Ihres Kindes notwendig sein und wie sie bestmöglich vorbereitet werden können.
Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, die Schwangerschaft fortzusetzen oder abzubrechen, sollten Sie sich nicht nur bei Ihrem betreuenden Arzt informieren. Es gibt in Ihrer Nähe psycho-soziale Beratungsstellen und Selbsthilfeorganisationen, die Sie über Ihre Möglichkeiten aufklären können. Niemand kann Ihnen authentischer vom Familienalltag mit einem herzkranken Kind erzählen als Eltern, die schon länger mit einem solchen Kind leben.
Weitere Informationen:
Psycho-soziale Beratungsstellen
Der fetale Umgehungskreislauf
Wenn ein Baby im Bauch seiner Mutter heranwächst, bekommt es alles Lebenswichtige durch die Nabelschnur, denn schließlich kann es noch nicht selbst essen und atmen. Nährstoffe und Sauerstoff werden mit dem Blut durch eine dicke Ader, die Nabelschnurvene von der Plazenta zum Kind transportiert. Die Plazenta nennt man auch Mutterkuchen. Sie befindet sich in der mütterlichen Gebärmutter der Mutter und ist dafür da, das Kind mit Nahrung zu versorgen. Der Blutkreislauf des ungeborenen Kindes funktioniert ganz anders als nach der Geburt. Das liegt vor allem daran, dass die Lunge noch nicht arbeitet. Sonst würde das ungeborene Baby, beim Versuch zu atmen, im Fruchtwasser der Gebärmutter ertrinken. Damit also das Blut nicht den Weg durch die Lunge nehmen muss, gibt es zwei raffinierte Kurzschlussverbindungen. Die sorgen dafür, dass möglichst viel Blut direkt in den Körperkreislauf des Babies gelangt. Diese Kurzschlussverbindungen, sozusagen Abkürzungen, schließen sich fast immer nach der Geburt von selbst.
Sauerstoffreiches Blut
Das sauerstoff- und nährstoffreiche Blut kommt durch die Nabelschnurvene zum Kind und fließt in einem Blutgefäß (an der Rückseite der Leber) direkt in die untere Hohlvene. Im rechten Vorhof angekommen, wird es fast vollständig durch eine Öffnung der Vorhofscheidewand (Foramen ovale) in den linken Vorhof geleitet; denn der aus der Nabelschnurvene kommende Teil des Blutstroms „zielt“ direkt auf dieses Loch. Es vermischt sich nicht mit dem sauerstoffarmen Blut, das gleichzeitig aus der oberen Körperhälfte durch die obere Hohlvene ebenfalls in den rechten Vorhof fließt. Die Vorhofscheidewand liegtt vorgeburtlich weiter links, was sich nach der Geburt nach rechts verlagern wird. Das sauerstoffreiche Blut wird vom linken Vorhof aus in die linke Herzkammer geleitet und fließt dann in die Hauptschlagader (Aorta), die bogenförmig aus dem Herzen entspringt (der herznahe Teil der Hauptschlagader heißt deswegen Aortenbogen). Aus dem Aortenbogen zweigen die Blutgefäße für den Kopf und den oberen Teil des Körpers ab. Somit ist sichergestellt, dass das Gehirn, das sehr empfindlich auf Sauerstoffmangel reagiert, so viel Sauerstoff wie möglich bekommt – mehr als der übrige Körper!
Sauerstoffarmes Blut
Das sauerstoffarme Blut, das aus der oberen Körperhälfte in den rechten Vorhof gelangt ist, sowie der restliche Anteil des Blutes aus der unteren Hohlvene werden in die rechte Herzkammer und von dort in den Lungenarterienstamm (Truncus pulmonalis) gepumpt. Die Lunge des ungeborenen Kindes wird für den Blutkreislauf noch nicht gebraucht und ist deshalb noch nicht entfaltet. Man kann sie sich wie einen zusammengepressten Schwamm vorstellen. Weil der Widerstand in den Lungengefäßen sehr hoch ist, fließt auch nur ein geringer Teil des Blutes durch die Lunge.
Über eine zweite Kurzschlussverbindung, den sogenannten Ductus arteriosus botalli, fließt der Großteil des Blutes vom Lungenarterienstamm direkt in den Aortenbogen. Der Ductus mündet aber erst nach dem Abzweig der Kopf- und Armgefäße in den Aortenbogen ein. Die untere Körperhälfte bekommt also deutlich sauerstoffärmeres Blut als die obere. Die Hauptschlagader teilt sich in Höhe des Bauchnabels in zwei Blutgefäße auf, die in ihrem Verlauf das Becken und die Beine versorgen. Von der inneren Beckenschlagader zweigen wiederum die Nabelarterien ab, die durch die Nabelschnur zur Plazenta führen. Dort wird das Blut wieder mit Sauerstoff angereichert und fließt wieder zurück zum Kind.
Nach der Geburt
Das Baby beginnt selbst zu atmen. Erst durch diesen ersten Atemzug entfaltet sich die Lunge (wie ein vorher zusammengepresster Ballon) und ist nun voll funktionstüchtig. Dadurch strömt das Blut aus der Lungenarterie durch die Lunge, wird dort mit Sauerstoff angereichert und fließt durch den linken Vorhof und die linke Herzkammer in die Aorta. Sobald die Nabelschnur durchtrennt wird, strömt kein Blut mehr über die Nabelvene.
Beides hat zur Folge, dass der Druck im linken Vorhof nach der Geburt größer wird als der im rechten Vorhof. Die Vorhofscheidewand verlagert sich deswegen etwas nach rechts. Als Folge werden beide Teile der Vorhofscheidewand, die für den Blutfluss vom rechten in den linken Vorhof eine Öffnung bildeten, zusammen gepresst und die Öffnung verschließt sich. Bis zum Ende des ersten Lebensjahres sind beide Teile dann in der Regel fest miteinander verwachsen. Das foramen ovale hat sich von selbst verschlossen.
Auch in der Aorta herrscht nach der Geburt ein höherer Druck als im Lungenarterienstamm. Dadurch kehrt sich die Flussrichtung um, in der das nun sauerstoffreiche Blut durch den Ductus arteriosus botalli strömt. Dieser erhöhte Sauerstoffanteil führt dazu, dass sich spezielle Muskeln im Ductus zusammenziehen und seine Öffnung innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen verschließen – nach wenigen Wochen ist er komplett zugewachsen.
Pränataler Bluttest
Nicht-invasive Pränataltests (NIPT) – Rasterfahndung nach genetischen Abweichungen oder ungefährliche vorgeburtlicher Bluttest?
Wird mein Kind gesund zur Welt kommen? Hat es Fehlbildungen oder angeborene Erkrankungen? Diese zentralen Fragen treiben werdende Eltern um.
Mit dem Ultraschall als Teil des Ersttrimester-Screenings werden die Organe des Ungeborenen untersucht sowie die Breite der Gewebeflüssigkeit im Nackenbereich gemessen. Eine verdickte Nackentransparenz kann auf verschiedene Chromosomen-Abweichungen oder auch auf einen Herzfehler hindeuten.
Mit nicht-invasiven Pränataltests (NIPT, z.B. Praenatest©) wird das Blutplasma der Schwangeren auf Trisomie 21 (Down-Syndrom), 13 (Pätau-Syndrom) und 18 (Edwards-Syndrom) überprüft. Vor allem Trisomie 21 geht oft mit angeborenen Herzfehlern einher. Der „Nicht invasive Pränataldiagnostik = NIPD Test wird nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in bestimmten Fällen von den Krankenkassen bezahlt. Damit soll die herkömmliche, risikobehaftete Fruchtwasserpunktionen (Amniozentese) oder Chorionzottenbiopsie minimiert werden. Allerdings sind bei einem Verdacht aufgrund des Bluttests weiterführende, u.a. invasive Untersuchungen notwendig.
Vor dem NIPD muss allerdings laut Experten der DEGUM eine differenzierte Ultraschall-Untersuchung stattfinden. Ein unauffälliger Befund eines DNA-Screenings auf Trisomie wird oft mit einem gesunden Kind gleichgesetzt. Der Verzicht auf eine frühzeitige differenzierte Ultraschalluntersuchung kann auch zur Folge haben, dass Fehlbildungen des Ungeborenen erst spät entdeckt werden. Es können neben falsch-negativen auch falsch-positive Testergebnisse vorliegen, die die werdenden Eltern unnötig in große Besorgnis stürzen oder in falscher Sicherheit wiegen.
- Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)IQWiG, Versicherteninfo für Schwangere ab Seite 256
- https://www.zeit.de/thema/praenataldiagnostik
Weitere Informationen
Wichtige Infos für die Schwangerschaft:
Folsäure
schützt vor Herzfehlern
Eine Folsäure Prophylaxe für Frauen, die bereits ein Kind mit angeborenem Herzfehler haben, erwägen derzeit amerikanische Wissenschaftler. Ein Mangel an Folsäure in den ersten 2-3 Schwangerschaftswochen kann, ebenso wie schädliche Umwelteinflüsse, zur Entwicklung schwerer Herzfehler führen. In ihrem Artikel “When should we prescribe high-dose folic acid to prevent congenital heart defects?” beschreiben J. C. Huhta und K. Linask, dass z. B. bei gehäuft auftretender Spina bifida, dem sogenannten „offener Rücken“, den amerikanischen Frauen möglichst bereits vor Eintreten einer Schwangerschaft präventiv hohe Dosen von Folsäure verordnet werden. Der ausführliche Artikel in englischer Sprache kann bei uns angefordert werden: info@alt.bvhk.de
Auch Forscher in Kanada haben bereits entdeckt, dass eine B-Vitamin-Prophylaxe nicht nur Fehlbildungen der Wirbelsäule und des Rückenmarks, sondern auch Herzfehler verhindern kann. In Kanada wird seit 1998 künstlich Folsäure in bestimmte Lebensmittel gemengt, unter anderem Mehl oder Nudeln.
Schwangerschaftsdiabetes
kann zu angeborenen Herzfehlern führen
Bei einem Schwangerschaftsdiabetes der Mutter geht die hohe Zuckermenge direkt auf das Baby über, das dadurch überernährt wird und häufig zu schnell wächst. Tritt die Erkrankung in einem frühen Stadium der Schwangerschaft auf und wird nicht entdeckt, können sich auch Herzfehler entwickeln. Oft wird die Gebärmutterwand durch das zu große Kind und wegen zu viel Fruchtwasser überdehnt so dass es zu einer Frühgeburt kommt. Hormonell bedingt verzögert sich die Reifung der Lungenbläschen, wodurch vor allem frühgeborene Babys häufig Atemnot haben und beatmet werden müssen. Auch die Mutter mit Schwangerschaftsdiabetes hat ein erhöhtes Risiko, Blutdruckhochdruck mit Ödemen, Nierenproblemen oder Neigung zu Krampfanfällen, eine so genannte Präeklampsie zu entwickeln. Infektionen der Harnwege erhöhen das Risiko einer Frühgeburt zusätzlich. Aufgrund der Größe der Babys kommt es häufiger zum Geburtsstillstand und es muss daher häufig eine Vakuumglocke verwendet und / oder ein größerer Dammschnitt gesetzt werden.
Mit einer ausgewogenen und ballaststoffreichen Ernährung und einem weitgehenden Verzicht auf Süßigkeiten und Limonaden wird der Blutzuckerspiegel niedrig gehalten. So und mit möglichst täglicher Bewegung und regelmäßiger Blutzuckerkontrolle kann die werdende Mutter meist die Gefahren abwenden. Sollte das nicht greifen, muss rechtzeitig über eine Insulintherapie beraten werden.
Beim Screening in Form eines gesetzlich vorgeschriebenen Blutzuckertests wird der Blutzucker im Venenblut gemessen. Bei Verdacht, d.h. wenn auch ein zweiter Test erhöhte Blutzuckerwerte zeigt, liegt ein Schwangerschaftsdiabetes vor. Dann wird ein Facharzt mit diabetologischem Schwerpunkt hinzugezogen.
Mehr Info: https://idw-online.de/de/news668781
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